Fast zwei Drittel der Schweiz liegen im Alpenraum. Der Jura macht weitere zehn Prozent der Landesfläche aus. Die Höhenunterschiede, Sonnen- und Schattenseiten prägen unser Land. Je höher hinauf man geht, desto stärker verändert sich das Klima und damit die Artenzusammensetzung.
Mit dem Klimawandel verändern sich auch die Temperaturen und Niederschlagsmuster in den Alpen: Es wird vielerorts wärmer.
Wärmeliebende Arten dringen deshalb immer weiter in die Höhe vor, wo es ihnen früher noch zu kalt war. Für kälteliebende Arten wird der Platz hingegen immer knapper: Je wärmer es wird, desto stärker sind sie bedroht.
Aber nicht nur im Gebirge leben Tiere in luftigen Höhen. Manche Bewohner des Himmels bewegen sich in Sphären hoch über den Alpengipfeln. Mauersegler etwa ziehen auf einer Höhe von etwa 3000 Metern von Kontinent zu Kontinent, Gänse erreichen sogar Höhen von 9000 Metern. Den Rekord hält ein Sperbergeier-Exemplar, der auf 11’300 Metern über Meer beobachtet wurde. Er ist der König der Lüfte! Das sind aber Ausnahmen. Die meisten Himmelsbewohner - das sind Vögel, Insekten und Fledertiere - halten sich immer in der Nähe des Bodens auf.
Dank den Alpen ist die Schweiz ein Biodiversitäts-Hotspot. Als Biodiversitäts-Hotspots bezeichnet man Weltregionen, in denen eine besonders hohe Vielfalt an Lebensräumen, Lebensraumstrukturen und daher eine hohe Artenvielfalt zu finden ist. Denn nicht alle Arten sind auf die gleichen Standortbedingungen angepasst. Je extremer die Bedingungen sind, desto spezialisierter sind dort lebende Tier- und Pflanzenarten.
Alle beschriebenen Lebensraumkategorien „Kulturland“, „Siedlungsgebiet“, „Wald“ und „Wasser“ kommen im Gebirge genauso vor wie im Mittelland. Während im Flachland allerdings vielerorts relativ ähnliche Bedingungen herrschen, ändern diese im Gebirge kleinräumlich stark. Das hat folgende Gründe:
Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab. Deshalb enthält die Luft weniger Sauerstoff, CO2 und Wasser. Als Anpassung an diese Standortbedingungen verfügen im Gebirge lebende Säugetiere über ein grösseres Lungenvolumen und mehr rote Blutkörperchen, um genug Sauerstoff aufnehmen zu können. Pflanzen laufen wegen der tiefen Luftfeuchtigkeit Gefahr, zu vertrocknen. Gebirgspflanzen zeigen verschiedene Anpassungen an den Trockenstress.
Pro 100 Höhenmeter sinkt die Lufttemperatur um etwa ein halbes Grad Celsius. Das klingt nach wenig, hat aber besonders auf Pflanzen sehr grosse Auswirkungen: Sie können nur bei Temperaturen über 6 °C wachsen. Im Mittelland wachsen Pflanzen an durchschnittlich 250 Tagen im Jahr. Mit jedem Grad, um das die Durchschnittstemperatur sinkt, fallen zwei Wochen der Wachstumsphase weg. An der Baumgrenze auf 2000 Metern Höhe wächst eine Pflanze schon nur noch an halb so vielen Tagen wie im Mittelland. Mit der Höhe steigt auch die nächtliche Frostgefahr – Gebirgspflanzen müssen daher auch während der Wachstumsperiode frostunempfindlich sein.
In der Höhe gibt es mehr Niederschlag, vor allem in Form von Schnee, der oft lange liegen bleibt. Viele Gipfel sind sogar das ganz Jahr über weiss. Diese Art von Schnee nennt man Firn. Die meisten Pflanzen können unter diesen Bedingungen nicht existieren, Blütenpflanzen etwa brauchen mindestens zwei schneefreie Monate im Jahr. Für Wiesen ist der Schnee aber nicht unbedingt ein Nachteil. Er bildet eine Wasserreserve und ist teilweise lichtdurchlässig. Unter einer alpinen Schneedecke verbirgt sich meist ein grüner Rasen.
Weil Höhenluft wenig Feuchtigkeit und Staub enthält, werden Sonnenstrahlen im Gebirge viel weniger stark gestreut oder reflektiert als in tieferen Lagen - sie treffen direkter auf die Erde. Das Sonnenlicht ist deshalb heller und enthält mehr UV-Strahlung. Für Pflanzen ist das sowohl nützlich als auch gefährlich. Sie können der Sonne zwar mehr Energie entnehmen - die Strahlen sind unter Umständen aber schädlich. Um sich vor Sonnenbrand zu schützen, sind Pflanzen in der Höhe auf Schutzmechanismen angewiesen.
Auch für Pflanzen kann ein Hang nicht beliebig steil sein. Im Hochgebirge gibt es Flächen mit einer so starken Neigung, dass sich keinerlei fruchtbare Erde daran festhalten kann: nackte Felshänge. Dort können Pflanzen nur in geschützten Felsspalten wachsen - ein Zuhause für ausgewiesene Spezialisten wie zum Beispiel Steinbreche. Auf kahlen Felsflächen kommen nur noch Flechten vor – unglaublich robuste Organismen, die je zur Hälfte aus einem Pilz und einer Pflanze bestehen.
Nach Süden ausgerichtete Flächen werden stark besonnt. Sie erwärmen sich schneller und stärker, sind weniger lang mit Schnee bedeckt und oftmals trockener als Nordhänge. Nach Norden ausgerichtete Hänge sind teilweise ganzjährig beschattet. So ist es möglich, dass im Jura am Fuss des Creux du Van auf nur 1126 Metern eine Permafrostfläche entstand - dort ist der Boden ganzjährig gefroren.
Der Wind weht in den Bergen heftiger als im Flachland. Das bringt diverse Schwierigkeiten mit sich: Starke Böen können Pflanzen entwurzeln oder beschädigen; Wind begünstigt zudem die Verdunstung - und damit die Austrocknung. Aber Pflanzen wissen sich zu helfen. Sie kriechen meisten am Boden entlang, haben besonders starke Wurzeln, nur unempfindliche Teile oberhalb der Erde und einen Verdunstungsschutz.
Weiterführende Literatur:
HOTSPOT 27/13 – Biodiversität in den Alpen
HOTSPOT 4/01 – Biodiversität in Berggebieten
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